Dienstag, 2. Oktober 2012

ERGO deckt weitere Fälle von Mitarbeiter-Fehlverhalten auf


Die „Lustreise“ nach Budapest im Jahre 2007 war kein Einzelfall. Davon ist nun selbst die ERGO überzeugt und möchte nun mit einer eigens geschalteten Website, die seit gestern freigeschaltet ist, in die Aufklärung gehen. Knapp 600 Reisen der vergangenen zehn Jahre wurden untersucht. ERGO-Vorstand Dr. Torsten Oletzky bittet um Vertrauen. „Ich bin sicher, das Unternehmen und seine Mitarbeiter haben es verdient.“ 

 


Die „Klartext-Initiative“ der ERGO Versicherungsgruppe AG kehrt nun dorthin zurück, von wo sie einst ihren Lauf nahm: In die Vorstandsetage des Versicherers. Gestern veröffentlichte das Düsseldorfer Unternehmen auf seiner Website in einer eigens eingerichteten Rubrik weitere Fälle von Fehlverhalten von Mitarbeitern bei Wettbewerbsreisen.

„Lange diskutiert haben wir, ob diese Veröffentlichung von Fehlverhalten bei Wettbewerbsreisen und Incentives nicht ein falsches Bild unseres Unternehmens zeichnet“, erklärt Dr. Torsten Oletzky, Vorstandvorsitzender der ERGO Versicherungsgruppe, in einem offenen Brief. Insgesamt wurden 585 Reisen und Veranstaltungen der vergangenen zehn Jahre unter die Lupe genommen. „Die Dimension der Budapestreise 2007 hat keiner unserer Fälle nach Art oder Umfang erreicht“, schreibt Oletzky erleichtert.

ERGO-Chef bekennt sich zu eigenen Fehlern

Das Bekanntwerden der Reise des Strukturvertriebs HMI (heute ERGO Pro) in die ungarische Hauptstadt im Jahre 2007 mit Besuchen in Striptease-Clubs brachte den Stein, ausgelöst durch einen Bericht des „Handelsblatts“, ins Rollen. „Wir haben verstanden, dass wir unseren eigenen Ansprüchen an eine transparente Kommunikation nicht in allen Punkten gerecht geworden sind“, gibt Oletzky selbstkritisch zu.

Gespräche mit weiteren Mitarbeitern und Vertriebspartnern, Presseanfragen sowie anonyme Hinweise führten zum Aufdecken von Fehlverhalten von angestellten Mitarbeitern wie auch von selbstständigen Vertriebspartnern „und hier insbesondere der Besuch von Nachtlokalen oder Bordellen anlässlich von Wettbewerbsreisen.“

Die neuen Fälle, mit der die ERGO nun selbst in die Offensive geht, sind in die Kategorien „Nachgewiesenes Fehlverhalten“ sowie „Nicht belegte Beschuldigungen“ unterteilt. Im Einzelnen haben die Revisionshüter des Konzerns folgende Vorfälle nachweislich ermitteln können:

Die Liste der bewiesenen Verfehlungen

Sardinien 2012 – Ungebührliches Verhalten eines Reiseteilnehmers gegenüber einer weiblichen Begleitperson und einer Servicekraft.
Kitzbühel 2010 und 2011 – Es liegen Taxi-Rechnungen vor, denen zufolge Reiseteilnehmer von einer Tabledance-Bar ins Hotel zurückgefahren sind. Belege der Bar liegen nicht vor.
        Vermittler einer Geschäftsstelle besuchten ein so genanntes „Swinger-Hotel“ auf
Jamaika 2009 und 2011.
        Vermittler einer Geschäftsstelle besuchten ebenfalls dieses Hotel auf Jamaika 2010.
Hamburg 2010 – Eine Außendienstführungskraft rechnete per Eigenbeleg vier Eintrittskarten sowie Getränke über insgesamt 69,50 Euro von einem Striptease Nachtclub ab.
New York 2010 – Bei einer Wettbewerbsreise ging eine Gruppe von Teilnehmern nach dem offiziellen Programm in einen Club mit Striptease-Programm; dabei wurden seitens der Reisebegleitung Getränke bezahlt. Die Kosten beliefen sich auf ca. 900 Euro.
Rio de Janeiro 2010 – Die Revision fand Belege über Getränke über ca. 300 Euro von einem Nachtclub, die dem Unternehmen in Rechnung gestellt wurden.
Tallinn 2009 – Es wurden 10 Eintrittstickets über zusammen 100 Eurovon einem Striptease Nachtclub abgerechnet.
Wien 2008 – Reiseteilnehmer rechneten Belege über Getränke in Höhe von ca. 250 Euro von einer Nachtbar ab.
Hamburg 2007 – Ein Geschäftsstellenleiter besuchte mit                          Seminarteilnehmern einen Erotik-Club auf der Reeperbahn.

„Verstöße und Fehlverhalten sind die absolute Ausnahme“

Bei den meisten Reisen handele es sich um Veranstaltungen von selbstständigen Vermittlern, die diese selbst geplant hätten, „oder Einladungen, die in der zu Verfügung stehenden Freizeit ausgesprochen wurden“, gibt die ERGO bekannt.

Die Regelverletzungen stellten die Ausnahme dar, und nicht die Regel, versichert Vorstand Oletzky. „Das ist meine feste Überzeugung.“ Er bitte auch deshalb um Vertrauen in die Versicherungsgruppe. „Ich bin sicher, das Unternehmen und seine Mitarbeiter haben es verdienst.“ (ucy)