Freitag, 22. Juni 2012

Mit Rat und Tat stets zu Diensten

"21. Versicherungswissenschaftliches Fachgespräch": Assistance-Leistungen gewinnen stetig an Bedeutung - in der Assekuranz und bei Endkunden. Der Wettbewerb steigt, neue Produkte bieten Vertriebspotenzial. 


Welche Assistance-Leistungen wünschen sich Versicherungsnehmer? In welchen Lebensbereichen kann die Assekuranz ihnen konkret unter die Arme greifen? Welche Rolle spielen hierbei Makler und Vermittler? Und wohin geht die Reise?
Unter der Überschrift "Versicherungsleistungen jenseits von Geld - Assistance und mehr" diskutierten Vertreter aus Assekuranz, Wissenschaft und Dienstleistung über die stetig wachsende Bedeutung von Assistance-Leistungen. 
Veranstalter und damit Gastgeber des "21. Versicherungswissenschaftlichen Fachgespräches" war der Verein zur Förderung der Versicherungswissenschaft in Berlin e.V. Professor Dr. Christian Armbrüster vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Technischen Universität Berlin begleitete als Moderator die Teilnehmer durch den Abend. Die mit 110 Publikumsplätzen komplett ausgebuchte Diskussion fand am 04. Juni 2012 am Hauptsitz der IDEAL Versicherungsgruppe in Berlin statt.

Dr. Florian Sallmann, Vorstandsvorsitzender der Europ Assistance Versicherungs-AG, referierte zum Thema "Assistance 2.0 - Service als Erfolgsfaktor für Versicherer". Seine Präsentation spannte den Bogen von der Vorstellung der Europ Assistance "als international tätiges Serviceunternehmen" über den "Erfolgsfaktor Assistance Barometer" bis hin zu "aktuellen und zukünftigen Produktinnovationen". Das "Assistance Barometer" ist eine repräsentative Studie der Hochschule RheinMain in Wiesbaden, die von der Europ Assistance Deutschland in Auftrag gegeben wurde und nunmehr zum fünften Mal erscheint.

In der deutschlandweiten Studie versucht die Europ Assistance unter wissenschaftlicher Begleitung des Studienganges Insurance and Finance der Hochschule RheinMain und mittels technischer Durchführung durch die Marktforschungsgesellschaft Wickert Institute die aktuelle Bedeutung von Assistance-Leistungen aus Sicht der Endkunden sowie der Assekuranz zu ermitteln. Demnach erkennen 94% der befragten Versicherungsunternehmen der Assistance als Serviceleistung eine hohe bis sehr hohe Bedeutung zu. Für 86% der Bundesbürger sind laut "Assistance Barometer 2012" Assistance-Leistungen wichtig oder sehr wichtig. Die Wertigkeit von Assistance-Leistungen habe im Vergleich zu den vergangenen fünf Jahren stetig zugenommen. Diese zeige sich auch an einer gestiegenen Zahlungsbereitschaft der Endkunden. Im Bereich der Gesundheits-Assistance würden beispielsweise über 25% der Bevölkerung bereit, mehr als 15,00 Euro jährlich für Serviceleistungen zu zahlen. Eine weitere zentrale Aussage der Studie zeige die aus Kundensicht von "ihrer" Versicherung zu erwartende Hilfe. So würde die Assekuranz "nicht mehr auf ihre Kernfunktion der materiellen Entschädigung eingetretener Leistungsfälle reduziert, sondern als Partner einer Befriedigung individueller Bedürfnisse erachtet." Genau diesen Zugewinn an Vertrauen und Reputation erhofft sich die Assekuranz mit ihren verschiedenen Assistance-Angeboten - die Versicherung "als partnerschaftlicher Problemlöser", als Freund und Helfer stets zu Diensten.

In diesem Sinne stellte Sallmann "aktuelle und zukünftige Produktinnovationen" vor. Zu diesen zählte Sallmann u.a. eine "Demenzuhr" auf. Mit deren Hilfe könnten Angehörige von Demenzkranken informiert werden, sofern diese "ihren" räumlichen Bereich verlassen. Hilfe bei beruflichen wie privaten Konflikten könnten im Rahmen eines "Burn-Out-Managements" den Betroffenen vermittelt bzw. selbst geleistet werden. Bei der "Arbeitslosigkeitsassistance" erführe der Kunde "aktive Unterstützung beim Wiedereintritt ins Arbeitsleben durch Berufsberatung, Bewerbercoaching und Zeugnischeck". Welche persönliche Verhaltensweise sowie technischen Sanierungen und Instandhaltungen in und ums Haus dazu beitrügen, die Energiekosten im Zaum zu halten, könnte im Rahmen der "Energieassistance" erfolgen. Gleichfalls böten "Mobilitäts- und Garantielösungen für Autos und Fahrräder mit Elektroantrieb" Ansätze für Assistance-Produkte. Sallmanns Auswahl kennzeichnet den Weg hin zu neuen den gesellschaftlichen Wandel berücksichtigenden serviceorientierten Assistance-Lösungen. Diese zeigen sich auch an der Wortwahl: Dread-Disease-Assistance, Pflege-Assistance, Gesundheitsnavigator, Reha-Management, Unfall-Assistance, Familien-Case-Management, Arbeitsunfähigkeits-Assistance, Anschlussgarantie für Neuwagen und Gebrauchtwagengarantie.

Über "Assistance-Leistungen in der Kfz-Versicherung: aktuelles Spektrum und künftige Entwicklungen" referierte Axel Wolfstein, Direktor Produktmanagement bei der Direct Line Versicherung AG. Beginnend mit einem Überblick über die Aktivitäten der Direct Line Group in Europa, zeigte Wolfstein die Entwicklung der in Großbritannien gegründeten Gesellschaft auf, deren Deutschland-Zentrale im brandenburgischen Teltow bei Berlin liegt. Die Direct Line Group sei der "größte Kfz-Direktversicherer in Europa mit über 11 Mio. Kfz-Policen, davon rund 10 Mio. allein in Großbritannien", sagte Wolfstein. Seit dem Einstieg in den italienischen Markt im Jahre 2002 habe sich die Direct Line Italien auf "Nummer zwei der italienischen Kfz-Direktversicherer mit ca. 1 Mio. Kfz-Policen" positionieren können. In Deutschland ist die mit dem roten Telefon werbende Direktversicherung ebenfalls seit 2002 aktiv und zähle inzwischen zur "Nummer drei der deutschen Kfz-Versicherer mit über 450000 Kfz-Policen". 

In der Sparte Kraftfahrt dominiere der ADAC mit über 18 Mio. Mitgliedern den Assistance-Markt. Die von der Assekuranz angebotenen Schutzbriefe deckten sich weitgehend in ihren versicherten Leistungen. Assistance - quo vadis? Dass aus der zunehmend elektronischen Vernetzung der Gesellschaft (Web 2.0, Social Media, Applikationen) für die Assekuranz erweiterte Möglichkeiten bestehen, ihren Versicherungsnehmern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, zeigte Wolfstein anhand der iPhone-App der Direct Line. Diese beinhalte u.a. eine Standortbestimmung, eine Foto- und Audio-Aufnahme oder eine Werkstattsuche. "Eine iPhone-App, die im Schadenfall wertvolle Hilfe leistet", sagte Wolfstein. Unter dem Begriff "Telematik" fasste Wolfstein verschiedene Systeme wie den Stauwarner, den Abstandhalter, den "Crash recorder", das eCall-System, die Fahrzeug-Ortung nach Diebstahl, die Fahrdaten-Analyse zusammen. Werden durch all diese Möglichkeiten "Grenzen durch den Datenschutz gesetzt?". Erlangt der Fahrzeug-Hersteller mit der Einführung von eCall einen Informationsvorsprung? 

Mit ihren Mobilitätsgarantien binde die Automobilwirtschaft ihre Kunden. "Full-Service-Verträge" träten an Stelle des Schutzbriefes. Eine weitere Herausforderung für die Assekuranz setze die Elektromobilität. Wolfstein warf die wichtige Frage auf, ob Assistance denn erst im Schadenfall ihren Dienst am Kunden beweisen solle. Weshalb greift die Assekuranz ihren Versicherungsnehmern nicht auch schon im Vorfeld, beispielsweise bei Fragen des Autokaufs, der Finanzierung etc. unter die Arme? Während bei Hilfen rund um die Gesundheit eine Zahlungsbereitschaft der Kunden offenbar vorhanden sei, fehle diese allerdings in "der Kfz-Assistance nach klassischem Muster". An Ideen für neue Produkte mangele es nicht, auch die technischen Voraussetzungen seien vorhanden. "Wir brauchen für den Verbraucher", konstatierte Wolfstein, "interessante Angebote, für die er einen adäquaten Gegenwert zu zahlen bereit ist." 

Wolfgang Lehr aus der Rechtsabteilung der Carglass GmbH "zeigte am Beispiel von Carglass die Vorteile auf, die Versicherer und ihre Kunden aus der Spezialisierung und Größe von Assistance-Anbietern bezögen", heisst es im Bericht des Versicherungswissenschaftlichen Fachgespräches. Da der Vortrag von Lehr nicht online nachzulesen war und ich persönlich an der Veranstaltung nicht teilgenommen habe, ist es mir leider nicht möglich, detailliert auf Lehrs Ansprache einzugehen. (ucy)