Mittwoch, 27. November 2013

Familienpflegezeit-Versicherung: Rechtsanspruch soll Nachfrage beflügeln

Die Familienpflegezeit-Versicherung fristet ein Mauerblümchendasein – noch. Denn aus den Koalitionsverhandlungen ist von einem Rechtsanspruch zu hören. Ein solcher könnte die Nachfrage nach Familienpflegezeit-Versicherungen ankurbeln. 2,5 Millionen pflegebedürftige Menschen, davon 1,76 Millionen, welche zu Hause gepflegt werden, weisen auf das mögliche Vertriebspotenzial hin.


Mit dem Familienpflegezeit-Gesetz, welches Anfang 2012 eingeführt wurde, wollte die Bundesregierung Arbeitnehmern den Schritt erleichtern, die berufliche Arbeitszeit zu reduzieren, um Angehörige zu pflegen. Voraussetzung für die Auszeit ist der Abschluss einer Familienpflegezeit-Versicherung. Sie deckt das mögliche Ausfallrisiko der Rückzahlung ab, das durch Berufsunfähigkeit oder Tod des Arbeitnehmers eintreten kann. Betrachtet man die nackten Zahlen, kann sich ein großes Vertriebspotenzial erkennen lassen.

So waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Ende 2011 2,50 Millionen Menschen pflegebedürftig. Mehr als zwei Drittel, das sind 70% oder 1,76 Millionen aller Pflegebedürftigen, wurden zu Hause versorgt. Von diesen erhielten 1,18 Millionen Pflegebedürftige ausschließlich Pflegegeld – das bedeutet, dass sie in der Regel allein durch Angehörige gepflegt wurden. 

Weitere 576.000 Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, bei ihnen erfolgte die Pflege jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. Der Zeitvergleich der Zahl der allein durch Angehörige versorgten Pflegebedürftigen ist zwar nur eingeschränkt möglich, teilt die Behörde aus Wiesbaden mit. Rechnerisch nahm die Zahl der allein durch Angehörige versorgten Pflegebedürftigen gegenüber 2009 aber um 10,9% (+ 116.000) zu.

147 Anträge im ersten Jahr

Das Familienpflegezeit-Gesetz sieht keinen Rechtsanspruch auf eine Pflegeauszeit vor. Statt der von Noch-Ministerin Kristina Schröder (CDU) prognostizierten 44.000 Anträge pro Jahr gab es im ersten Jahr lediglich 147 Antragsteller, berichtet die „Apotheken Umschau“. Zwar hält eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums diese Zahl für „nicht belastbar“. 

Doch für Kritiker ist die offenbar geringe Resonanz nicht verwunderlich. „Das ist, wenn man genau hinguckt, eine Mogelpackung“, meint Dr. Anja Ludwig, Leiterin der Abteilung Alter/Gesundheit/Behinderung im Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Das Gesetz sei so lange „ein zahnloser Tiger“, wie der Rechtsanspruch darauf fehle.

Das scheinen auch die verantwortlichen Politiker in den Koalitionsverhandlungen zu sehen. Wie die Nachrichtenagentur dpa berichtet, planen die Unterhändler der Arbeitsgruppe Familie nun einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit einzuführen. Zwar war ein verbindlich festgeschriebener Anspruch auf Auszeit schon seit Anbeginn des Gesetzes zu hören. Die FDP und Teile der Wirtschaft lehnten einen solchen jedoch ab.

Forderungen nach einem Rechtsanspruch

Einen rechtsverbindlichen Anspruch auf die Familienpflegezeit fordert auch Allan Karlsen, Regional Manager für Nord-Europa beim Versicherer Genworth. „Um das gesellschaftlich wichtige Anliegen der Familienpflegezeit endlich zum Erfolg zu führen, braucht es einen Rechtsanspruch“, so Karlen. 

Angesichts des demografischen Wandels und des drohenden Pflege-Notstands würden in Deutschland neue Instrumente gebraucht, um die gesellschaftliche Aufgabe der Pflege alter und kranker Menschen meistern zu können. Karlsen: „Dazu brauchen wir auch ein funktionierendes Konzept für die Familienpflegezeit.“

Wie die Bundestagsfraktion der Grünen nach einer Anfrage bei der Bundesregierung im Februar mitteilte, soll eine von der Regierung in Auftrag gegebene Studie klären, worin das geringe Interesse begründet sei. Auch die Grünen sprechen sich für einen Rechtsanspruch aus. „Wir müssen jetzt handeln und wenigstens einen Rechtsanspruch auf die Pflegezeit verankern.“ 

Das sieht auch die Diakonie Deutschland so. Für den sozialen Dienst der evangelischen Kirche ist die Familienpflegezeit alleine nicht ausreichend, um die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und familialer Pflege nachhaltig zu verbessern. Das jetzige Modell sei lediglich ein Einstieg. „Wichtig als nächster Schritt ist die Einführung eines Rechtsanspruchs auf eine Familienpflegezeit“, so der Verband. (ucy)

Quelle: Dieser Artikel von mir erschien zuerst auf der Seite asscompact.de.