Freitag, 13. Dezember 2013

Bundesregierung für Einführung eines Angehörigen-Schmerzensgeldes

CDU, CSU und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag für ein Schmerzensgeld auch für Hinterbliebene von Todesopfern ausgesprochen – „als Zeichen der Anerkennung ihres seelischen Leids“. Die Versicherungswirtschaft warnt vor „ganz erheblichen wirtschaftlichen Mehrkosten“ für die Kunden. 



Die Zahl der Getöteten im Straßenverkehr wird im Jahr 2013 einen weiteren Tiefstand erreichen. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes (Destatis), die auf vorliegenden Daten von Januar bis September 2013 basieren, dürfte die Zahl der Todesopfer voraussichtlich um etwa zehn Prozent auf unter 3.300 sinken. Bei den Verletzten ist im Jahr 2013 eine Abnahme um annähernd fünf Prozent auf 366.000 zu erwarten. Den Hinterbliebenen von im Straßenverkehr unverschuldet Getöteten könnte schon bald ein gesetzlicher Anspruch auf Schadensersatz zustehen. 

Für die Einführung eines solchen Angehörigen-Schmerzensgeldes haben sich CDU, CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag geeinigt. „Menschen, die einen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben, räumen wir als Zeichen der Anerkennung ihres seelischen Leids einen eigenständigen Schmerzensgeldanspruch ein, der sich in das deutsche System des Schadensersatzrechts einfügt“, heißt es in der Vereinbarung der künftigen Regierung. 

Branche warnt vor „erheblichen“ Mehrkosten

Jahrelang wurde um das Für und Wider eines solchen Anspruchs diskutiert. Während der Versichererverband GDV eine Ausweitung des Schadensersatzrechts ablehnte, sprachen sich Vertreter aus Politik, Verbraucherschutz und Rechtsprechung für eine Reform aus. 
Das bayerische Justizministerium hatte sogar einen entsprechenden Gesetzentwurf ausgearbeitet. Zuletzt hatte das Angehörigen-Schmerzensgeld prominente Fürsprecher bekommen: Angela Diederichsen, Richterin am Bundesgerichtshof (BGH), wies in einem Aufsatz auf die „Schwäche des deutschen Rechts“ hin, die in der „Versagung jeglicher Kompensation für das Leid der Angehörigen durch den Verlust des Getöteten“ liege (NJW 2013, Heft 10, Seite 641ff.). 

Auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag sprach sich vergangenes Jahr für eine Entschädigung von Ehe- und Lebenspartnern sowie Eltern und Kindern aus. Denn eine finanzielle Entschädigung für nächste Angehörige Getöteter könne als Symbol für Mitgefühl mit dem seelischen Leid Genugtuung schaffen und ein Gefühl von Gerechtigkeit vermitteln. 

Der GDV argumentiert, dass schon heute gemäß der geltenden Rechtslage nach der von den Gerichten entwickelten Schockschadenrechtsprechung von den Versicherern Schmerzensgeld an Angehörige geleistet werde. „Die Einführung eines hierüber hinausgehenden gesetzlichen Angehörigenschmerzensgeldes hätte ganz erhebliche wirtschaftliche Mehrkosten für die Versichertengemeinschaft zur Folge“, warnt der Verband. 

Der GDV weist ferner darauf hin, dass Rechtsvergleiche mit ausländischem Recht nur sehr begrenzt aussagekräftig seien. Daher sei der Blick in Nachbarländer nicht geeignet, die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs zu begründen. Denn im Ausland habe das Angehörigenschmerzensgeld vielfach die Funktion, Lücken im materiellen Schadensersatzrecht auszugleichen. Einen solchen Bedarf sieht der GDV in Deutschland nicht.

Deutlicher Rückgang tödlicher Unfälle

Der Rückversicherer Gen Re stellt in seiner Studie „Ersatzleistung für Personenschäden in Europa im Vergleich“ fest, dass in den vergangenen 15 Jahren die Schäden mit tödlichem Ausgang zumindest in der KH-Sparte in den meisten europäischen Märkten kontinuierlich und signifikant zurückgegangen seien. Das ehrgeizige Ziel, die Zahl der Verkehrstoten innerhalb der EU in den Jahren von 2001 bis 2011 um 50% zu senken, sei allerdings nur von wenigen Ländern erreicht worden. 

„Es war aber ein starker Ansporn, wichtige Maßnahmen umzusetzen, die gemeinsam mit einer verbesserten Fahrzeugsicherheit und einer immer schnelleren und effektiveren Erstbehandlung die Rettung vieler tausend Menschenleben ermöglicht haben“, heißt es in der Untersuchung.

Die eigentliche Arbeit dürfte mit der Entscheidung, ein Angehörigen-Schmerzensgeld einzuführen, indes noch bevorstehen. Viele Fragen sind nämlich noch unbeantwortet: Wie soll ein Anspruch konkret aussehen? Wer wird als „Angehöriger“ definiert? Wer entscheidet über die Höhe des Schmerzensgeldes? Und wie soll die Trauer berechnet werden? (ucy)


Quelle: Dieser Artikel von mir erschien zuerst auf der Seite asscompact.de.