Freitag, 6. Dezember 2013

Jeder zehnte Hauptverdiener von Armut bedroht

Arm trotz Arbeit: Die Zahl armutsgefährdeter Arbeitnehmer ist in den vergangenen Jahren gestiegen. In der Versicherungswirtschaft sind weniger als drei Prozent der Arbeitnehmer armutsgefährdet. Damit belegt die Assekuranz einen Spitzenwert. 


Erwerbstätige tragen zwar generell ein geringeres Armutsrisiko als Nichterwerbstätige oder Arbeitslose. In den vergangen Jahren ist in Deutschland jedoch auch die Quote der armutsgefährdeten Arbeitnehmer (
Working Poor) deutlich gewachsen. Atypisch Beschäftigte wie Leiharbeiter tragen dabei ein besonders hohes Armutsrisiko. Allerdings stehen sie damit keineswegs allein. 

Von Arbeitsarmut sind auch Beschäftigte in so genannten Normalarbeitsverhältnissen betroffen - je nach Branche sogar ein erheblicher Anteil. Das ergibt eine aktuelle Analyse von Dr. Eric Seils, Sozialforscher am Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Sehr gute Werte für Versicherungswirtschaft

Auf der Basis des Mikrozensus ergebe sich, dass 2012 fast jeder zehnte Hauptverdiener (9,5 Prozent) von Armut bedroht war. Das heißt, diesen Beschäftigten und ihren Familien stehen weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Nettoeinkommens zur Verfügung - die gängige wissenschaftliche Schwelle der 
Armutsgefährdung

Die Zahlen legen nahe, dass Arbeitsarmut auch unter Familienernährern und ihren Familien ein Problem ist, sagt der Forscher. Wie groß das Armutsrisiko von Haushalts-Hauptverdienern ist, hängt meist stark vom Lohnniveau der Branche ab, in der sie arbeiten. Der Forscher bietet dazu einen Überblick über mehr als 30 Wirtschaftszweige.

In der Energieversorgung, bei Banken und Versicherungen, in der öffentlichen Verwaltung, der chemischen Industrie oder im Fahrzeug- und Maschinenbau sind weniger als 3 Prozent armutsgefährdet. Am Bau sind es hingegen gut 8 und im Handel schon 12,5 Prozent. 

Stark überdurchschnittlich betroffen sind Beschäftigte im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung sowie Beschäftige in Heimen und im Sozialwesen, wo jeder fünfte Hauptverdiener unter der Armutsgefährdungsschwelle liegt. Am höchsten ist die Quote im Gastgewerbe: 35,8 Prozent der Hauptverdiener, die in Gastronomie, Catering oder Hotelbereich arbeiten, sind von Armut bedroht.

Hohes Nettoeinkommen in der Branche

Wie es in der Untersuchung heißt, biete die Versicherungswirtschaft ein „gänzlich untypisches Bild“. Denn die Einkommen stiegen in den zwölf Beobachtungsjahren unter dem Strich deutlich kräftiger als die Tarifeinkommen. „Erstaunlicherweise“, heißt es in der Studie, gelte dieser Befund auch und gerade für die Krisenjahre 2008 und 2009. 

Die Steigerungen seien möglicherweise auf Bonuszahlungen zurückzuführen. Vollbeschäftigte, die in der Finanz- und Versicherungswirtschaft arbeiteten, verfügten im Durchschnitt über ein hohes Nettoeinkommen. Daher gerieten sie und ihre Familien nur in seltenen Fällen in Armut. (ucy)