Mittwoch, 18. Juni 2014

Ersatzteilmarkt bleibt in der Hand der Autohersteller

Viele Auto-Ersatzteile dürfen nur von den Autoherstellern selbst verkauft werden. Das missfällt den Kfz-Versicherern, die in diesem „Monopol“ einen Kostentreiber sehen, dessen Spirale sie am liebsten mit ihrem Schadenmanagement begegnen würden. Die Assekuranz setzte deshalb ihre Hoffnung auf die Novelle des EU-Designschutzes. Doch der Anlauf zur Reform, eine Reparaturklausel einzuführen, ist Ende Mai gescheitert – unter anderem am Widerstand Deutschlands im EU-Ministerrat.


Im Kfz-Ersatzteilemarkt spielen die Auto-Versicherer längst eine bedeutende Rolle. Es geht um viel Geld, dass die Versicherer für Ersatzteile bei Haftpflicht- und Kaskoschäden in die Hand nehmen. So verwunderte es nicht, dass im März vergangenen Jahres ein breites Bündnis von Verbänden einen „freien Wettbewerb bei sichtbaren Kfz-Ersatzteilen“ forderte, bei der auch Vertreter der Versicherungswirtschaft aktiv waren. Hinter der Forderung steckt das Bemühen, den sogenannten „Designschutz“ für sichtbare Karosserie-Ersatzteile auszunehmen. 

Die Autohersteller lassen ihr Fahrzeug-Design, also die Erscheinungsform bzw. das Aussehen, nämlich rechtlich schützen. Das ist verständlich, haben Ingenieure und Konstrukteure doch jahrelang an den Modellen gearbeitet: aus schnödem Blech wird ansehnliche Kunst. Eine wichtige Rolle spielen die gewerblichen Schutzrechte auch im Kampf gegen Produktpiraterie, und zwar international. 

So umfasst der Teileschutz – Muster- und Patentschutz – Details von Außenspiegeln, Stoßstangen, Kotflügeln, Motorhauben, Scheinwerfern, Blechen oder Türen. Also auch jene Teile, die sehr oft bei Unfallschäden betroffen sind und für die die Assekuranz mit ihren Beiträgen aufkommen muss. Genau diese sichtbaren Teile möchten mächtige Verbände und Unternehmen in eine sogenannte „Reparaturklausel“ einbinden. Denn der Designschutz erlaubt es den Herstellern, ihre geschützten Ersatzteile quasi exklusiv zu vertreiben. Hersteller und Händler von Teilen dürfen diese Ersatzteile somit nicht selbst verkaufen.

Die Autohersteller sehen im Patent- und Designschutz dagegen eine „unverzichtbare Grundlage für die Produktvermarktung“. „Ein neuer Anlass oder Sachstand, die Rechtslage in Deutschland der EU zu ändern, besteht... nicht“, heißt es in der Stellungnahme des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Die Produktion von Ersatzteilen habe, so der VDA, eine „große wirtschaftliche Bedeutung für die Automobilhersteller...“.

„Reparaturklausel“ als Kompromiss?

„Designschutz für Auto-Ersatzteile muss fallen“, forderten 2013 öffentlichkeitswirksam der Automobilclub ADAC, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA), der europäische Verband der Kfz-Teilehersteller (CLEPA), der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) und Vertreter der Versicherungswirtschaft. Diese Verbändeallianz sieht im Kfz-Ersatzteil-Markt „nicht länger hinnehmbare Wettbewerbsbeschränkungen“. Die Bundesregierung solle „entschieden und rasch“ für eine Liberalisierung eintreten. Einen Ausweg aus den verschiedenen Interessen sollte eine europaweite Einführung der Reparaturklausel bringen. Diese Klausel, so der Vorschlag der Verbände, sollte in das europäische Designrecht (98/71/EG) eingebunden werden.

Ein entsprechender Gesetzentwurf aus dem Jahre 2007 existierte auch schon. Und drei Jahre vorher, also 2004, hatte die EU-Kommission eine Novelle der Designschutzrichtlinie vorgelegt (Artikel 14). Mit der Lockerung hätten sich die Autohersteller ihr bislang noch alleiniges Verkaufsrecht mit weiteren Dienstleistern teilen müssen. Der ADAC hat vergangenes Jahr in einem Preisvergleich festgestellt, dass die Kosten für Autofahrer „spürbar sinken könnten, gäbe es echten Wettbewerb im Markt für sichtbare Kfz-Ersatzteile“. Während die Preise für nicht sichtbare Ersatzteile „unter der Motorhaube“ in den vergangenen Jahren um zwölf Prozent gestiegen seien, hätten die Preise für sichtbare Ersatzteile im gleichen Zeitraum um 40 Prozent zugelegt.

Die Verbraucher dürften beim Kauf von erforderlichen Ersatzteilen „nicht länger von den Herstellern über Gebühr abgezockt werden“, so der ADAC. Auf eine „bereits heute zu hohe Kostenbelastung für die Verbraucher“ wies Wirtschaftsrechtsexperte Roland Stuhr vom Verbraucherzentrale Bundesverband hin. „Es ist Verbrauchern kaum zu vermitteln, warum sie neben steigenden Kfz- und Benzinpreisen auch noch überteuerte Preise für sichtbare Ersatzteile zahlen müssen“. Und das nur, weil der Gesetzgeber den Verbrauchern keine Wahlfreiheit einräume und die Automobilhersteller ihre Monopolstellung ausnutzten.

Die „Monopolisierung des Ersatzteilemarktes“ stelle auch viele Servicebetriebe in Deutschland vor Probleme, wie Wilhelm Hülsdonk, Bundesinnungsmeister des Kfz-Handwerks (ZDK), sagte. „Bereits heute können nicht-sichtbare Ersatzteile – und das sind etwa 75 Prozent des Teilevolumens – im freien Teilemarkt bezogen werden“. Dazu gehörten auch besonders sicherheitsrelevante Ersatzteile für Bremsen, Kupplung, Lenkung und andere. „Darum setzen wir uns dafür ein, dass eine Werkstatt auch bei den Teilen, die dem Designschutz unterliegen, die freie Bezugswahl hat“, so Hülsdonk. Durch den Designschutz werde weder Produktpiraterie verhindert noch Qualitätssicherung betrieben, so Hülsdonk. Denn bei Designfragen gehe es eben nicht um die strukturelle Beschaffenheit wie Material oder Passgenauigkeit, sondern nur um die äußere Form.

Sieg für die Autokonzerne

GVA-Präsident Hartmut Röhl wies als Vertreter des freien Kfz-Teilehandels in Deutschland darauf hin, dass die Fahrzeughersteller in ihrem Festhalten am Designschutz im Ersatzteilbereich völlig isoliert seien. „Selbst die eigenen Zulieferer aus der Kfz-Teileindustrie fordern die Einführung der Reparaturklausel“. Des Weiteren sei sich auch die Wissenschaft einig, wie Studien renommierter Institute ergeben hätten.

Die von den Fahrzeugherstellern vorgebrachten, vermeintlichen Argumente etwa bezüglich der Teilesicherheit, des Schutzes geistigen Eigentums und eines drohenden Verlusts von Arbeitsplätzen in Deutschland, hielten keiner sachlichen Überprüfung stand und seien bereits allesamt widerlegt, so Röhl. Doch all das Bemühen um eine Reform hat nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Am Ende haben sich die Autohersteller durchgesetzt. Am 21. Mai dieses Jahres hat die Europäische Kommission den Entwurf zur Neufassung der EU-Designrichtlinie 98/71/EG offiziell zurückgezogen. So lautet das Ergebnis: Es bleibt alles wie gehabt.

Dazu trugen zwei Länder bei: Frankreich und Deutschland. Die Vertreter beider Länder – je nach Standpunkt „Sündenböcke“ oder „Unschuldslämmer“ – haben sich in der abschließenden Entscheidung gegen die EU-Designschutznovelle ausgesprochen. „Verlierer dieser Entwicklung sind die Autofahrer, die auch weiterhin nur auf die teuren Monopolteile der Fahrzeughersteller zurückgreifen können“, empört sich denn der Gesamtverband Autoteile-Handel. Seit Dezember 2007, als das EU-Parlament mit breiter Mehrheit die Designschutznovelle verabschiedete, lag der Entwurf zur abschließenden Entscheidung beim EU-Ministerrat. Auf Druck der Regierungen der Staaten mit einer starken Lobby der Fahrzeughersteller, also vor allem Frankreich und Deutschland, sei die Verabschiedung fortlaufend verhindert worden, kritisiert GVA-Präsident Röhl.

Diese Länder wollten den heimischen Fahrzeugherstellern möglichst lange ein äußerst profitables Monopol für diese Produkte sichern, so Röhl. Röhl sieht darin einen Skandal, denn „die Ausbremser der Liberalisierung vor allem in Paris und Berlin treten damit den Willen von über 500 Millionen EU-Bürgern - repräsentiert durch die breite Mehrheit im EU-Parlament, die sich für die Einführung der Reparaturklausel ausgesprochen hat - förmlich mit Füßen“. Wenn es um industriepolitische Interessen einzelner mächtiger Konzerne gehe, werde in Paris und Berlin immer noch eine Hinterzimmerpolitik zum Nachteil der Verbraucher und entgegen den Prinzipien der Marktwirtschaft betrieben.

Neuer Anlauf für die Designschutz-Novelle?

Tatsächlich nutzten in den vergangenen Jahren EU-Mitgliedstaaten die Liberalisierungsoption im EU-Designrecht und führten die Reparaturklausel ein. Aufgrund verschiedener rechtlicher Regelungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten ist das Ergebnis jedoch ein Flickenteppich. 

Diesen wollten die Befürworter der Reparaturklausel durch eine gesamteuropäische Regelung auflösen. „In Deutschland können die Fahrzeughersteller Dank der Position der Bundesregierung weiterhin de jure ein Monopol bei Kfz-Ersatzteilen genießen“, beklagt denn der GVA. Rudimentäre Ansätze von Wettbewerb gebe es hierzulande nur aufgrund einer unverbindlichen Erklärung von Vertretern deutscher Fahrzeughersteller, ihre Designrechte nicht wettbewerbseinschränkend wahrzunehmen.

„Eine Zusage, die wiederholt gebrochen wurde und juristisch letztlich nichts wert ist", so GVA-Präsident Röhl. Während der Vertrieb von karosserieintegrierten Ersatzteilen z.B. in Italien, Spanien, Polen, Großbritannien und Benelux als Geschäft ehrbarer Kaufmänner gelte, sei selbiger in Deutschland ein Straftatbestand“, sagt Röhl. Er zeigt sich dennoch sicher, dass die europaweite Reparaturklausel einen neuen Anlauf nehmen werde. 

„Die überzeugenden Argumente für die Einführung einer Reparaturklausel, die von Verbraucherschützern und Automobilclubs sowie von Vertretern der Versicherungswirtschaft und des mittelständisch geprägten freien Kfz-Teilemarktes vorgelegt wurden und wissenschaftlich untermauert seien, würden sich letztlich durchsetzen, prognostiziert der Verband. Die Zeit für industriepolitisch motivierte, nationale Alleingänge werde sich in einem immer stärker integrierten Europa zwangsläufig dem Ende zuneigen. (ucy)

Quelle: Dieser Artikel von mir erschien in verkürzter Form zuerst auf der Seite asscompact.de

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