Mittwoch, 3. August 2016

Parforceritt auf der Datenwelle

Was sagen die Daten? Eine Herausforderung für Versicherer besteht heute darin, aus den Datenbergen gewinnbringende Erkenntnisse zu fördern. Nicht nur das Underwriting, also die Prüfung des Risikos und der Prozess der Tarifierung, ändert sich durch das Verknüpfen neuer Daten. Vielmehr öffnen sich neue Wege der Interaktion zwischen Versicherung und Kunde. Mit dem Thema „Big Data“ beschäftigte sich ein Symposium der Forschungsstelle aktuarielles Risikomanagement des Instituts für Versicherungswesen der TH Köln.



Ein runder Geburtstag: Vor 60 Jahren begann für die deutsche Versicherungswirtschaft das Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung. Am 20. Januar 1956 stellte die Allianz auf einer Pressekonferenz den Magnettrommelrechner IBM 650 vor. 

Hierbei handelte es sich um den ersten bei einem Versicherungsunternehmen in Europa eingesetzten Großrechner. Es mutet wie ein Treppenwitz der Geschichte an, dass der erste weltweit funktionsfähige Digitalrechner zwar von dem Deutschen Konrad Zuse (1910-1995) erfunden, der Magnettrommelrechner IBM 650 aber eigens aus den USA nach München eingeflogen wurde. 

Zwei Jahre später, im Jahre 1958, nutzten bereits zehn Versicherer in Europa Großrechner, darunter fünf in Deutschland. Nicht nur bei den Großrechnern, auch bei der Ausstattung von Bildschirmarbeitsplätzen nahm die deutsche Assekuranz eine Vorreiterrolle ein. Diesem Vorbild folgten andere Wirtschaftszweige und die öffentliche Verwaltung.

Kundenbeziehung auf Augenhöhe


Grund für diese Vorbildfunktion waren die großen Datenbestände, die geradezu das Herzstück eines jeden Versicherers bilden. Ob der Lobgesang eine Fortsetzung findet, steht dennoch auf einem anderen Blatt. Die spannendsten Seiten des vor sechzig Jahren begonnenen Kapitels Digitalisierung scheinen nämlich gerade erst begonnen zu haben. 

Die Branche sollte eine gesunde
Balance bei der Nutzung von Big Data
finden, appellierte Prof. Dr. Maria Heep-Altiner
Mit Informationen zum Beispiel aus GPS-Daten oder Google Maps können Versicherer heute Risiken besser einschätzen, sagte Prof. Dr. Maria Heep-Altiner, seit 2008 Professorin am Institut für Versicherungswesen der Fachhochschule Köln in ihrem Eröffnungsvortrag zum zehnten Symposium der Forschungsstelle aktuarielles Risikomanagement des Instituts für Versicherungswesen der TH Köln (10. FaRis & DAV-Symposium). 

Mit Big Data könne das subjektive Risikoverhalten beeinflusst werden, Stichwort Pay-as-you-drive-Tarife. Und verringert werden könne die „asymmetrische Informationssituation“ zwischen Versicherer und Kunde.

Watson, bitte helfen...


Die Kehrseite von Big Data, so Heep-Altiner, könnte im Extremfall eine „absolute Individualisierung der Versicherungsprodukte die Folge sein“. „Die Branche sollte also im eigenen Interesse hier eine gesunde Balance finden, wenn sie Verwerfungen vermeiden will“, sagte Heep-Altiner.

Eine zentrale Herausforderung für Versicherer besteht denn heute darin, aus den Datenbergen gewinnbringende Erkenntnisse zu fördern. Tatsächlich müsse die Assekuranz nach anfänglichem Zögern die Nutzung von Big Data und den Einsatz von Advanced Analytics nun vorantreiben.

Big Data führt zu neuen Wegen der
Interaktion, so Astrid Smolarz von IBM
Die Kunden von heute erwarteten, dass sie mit ihrem Versicherer online kommunizieren, sagte Astrid Smolarz von IBM. Das Computerprogramm Watson soll zum Beispiel nicht nur die Auslese der Datenberge bewerkstelligen können, sondern in der Interaktion mit dem Menschen lernen.

Potenziale in der PKV


Den Nutzen sieht Smolarz in der Fähigkeit der Maschine, aus der Fülle an Daten wichtige Informationen zusammenzuführen, Sachzusammenhänge herzustellen, Thesen zu bilden und diese als Ratschlag zu unterbreiten. Nicht nur das Underwriting, also die Prüfung des Risikos und der Prozess der Tarifierung, ändert sich durch das Verknüpfen neuer Daten.

Vielmehr öffnen sich neue Wege der Interaktion zwischen Versicherung und Kunde. Das zeigen zum Beispiel die immer bekannter werdenden Wearables in Form von Smartwatches oder Fitness-Trackern.

Weitere Fortschritte in der Datenbasis könnten dazu beitragen, Gesundheitsergebnisse zu verbessern in dem zum Beispiel bestimmte Erkrankungen ausgewählter Kunden durch Big Data vorhergesagt werden, führte Dr. Werner Goldmann, Leiter der Abteilung Aktuariat der Central Krankenversicherung, aus.

Telematik-Rabatt nicht gleich günstigster Tarif


In der Öffentlichkeit werde mit eher skeptischer Sichtweise besonders die Produktgestaltung und Preispolitik diskutiert, so Goldmann. Mit den heute schon verfügbaren Telematik-Tarifen ist die Kfz-Versicherung Vorreiter bei der Big Data-Nutzung. 

Statistische Risikodifferenzierung scheint nicht 
der alleinige Treiber für Telematik-Tarife 
zu sein, sagte PwC-Manager Frank Schönfelder
Schon heute setzen 21 Prozent der Unternehmen moderne Methoden der Datenanalyse ein. Damit ist die Versicherungswirtschaft neben der Automobilindustrie Vorreiter bei der Nutzung fortschrittlicher Big Data-Analysen. 

Zu diesem Ergebnis kam im Februar dieses Jahres eine Studie der Unternehmen Bitkom Research und KPMG, für die in einer repräsentativen Umfrage 706 Unternehmen ab 100 Mitarbeitern befragt wurden. 

„Die von den Versicherern angegebenen möglichen maximalen Rabatte dominieren nicht durchgehend den Preisunterschied des Basistarifs zu anderen Wettbewerbern“, fasste Frank Schönfelder, PwC-Manager und Aktuar DAV zusammen. (ucy, Text und Bilder)

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