Sonntag, 1. April 2012

Die Abhängigkeit der Assekuranz als Erzeuger von Assistance-Leistungen reicht von den Versicherungsnehmern als Annehmern, über den Vermittlern und Ausführern von Assistance-Produkten.


Der klassische Wirtschaftskreislauf in der Assistance-Branche kann anhand von vier Hauptakteuren beschrieben werden: Dem Versicherungsunternehmen als Anbieter der Leistung, dem Versicherungsnehmer als Annehmer der Leistung, der Assistance-Gesellschaft als Vermittler der Leistung sowie dem Dienstleister als Ausführer der Leistung. In dieser Reihenfolge spiegelt sich gleichfalls das praktische Kräfteverhältnis dieser Akteure wider. Dieses kann jedoch nicht auf allen Ebenen und zu jedem Zeitpunkt als starr bezeichnet werden. Abhängig von der Situation führt die Stärkeverteilung zu Bewegungen zwischen den Akteuren untereinander. Damit ist sie Verschiebungen ausgesetzt, die auch vom Blick des Betrachters abhängen. Motivation der Assekuranz, ein Assistance-Produkt zu forcieren ist der „Markt“. Was verbirgt sich konkret dahinter? Die Versicherungsunternehmen verfolgen und analysieren gespannt die Aktivitäten ihrer Mitbewerber auf der Suche nach neuen Kunden. Bietet nun ein Versicherungsunternehmen ein neues Assistance-Produkt an, hat es sich damit gegenüber der Branche und den Kunden einen Vorteil verschafft: Es hat ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit, bis Mitbewerber auf dieses Pferd aufspringen und ein ähnliches Produkt mit anderem Namen anbieten, welches das originäre Assistance-Produkt des „Erfinders“ idealerweise hinsichtlich des Preises und der Leistung übertrifft. Außer diesem internen Branchenmarkt ist die Assekuranz natürlich auch einem gesamtgesellschaftlichen „Markt“ ausgesetzt. Der Wunsch der Endkunden verändert sich. Welche Assistance-Leistungen sind der hiesigen Bevölkerung wichtig? Mit welchen Produkten kann die Assekuranz einen Mehrwert für ihre Versicherungsnehmer schaffen und sie so als treue Kunden an sich binden? Diese zwei Marktpfeiler erheben die Assekuranz im besten Falle als „Wohltäter“, der sich Sorgen um den zweiten Akteur in diesem Kreislauf macht: Den Versicherungsnehmer als Endkunden. Er entscheidet am Ende durch seinen Versicherungseinkauf und das danach erfolgte Verhalten z.B. im Schadenfall über das Wohl und Wehe eines Assistance-Produktes. Obwohl also der Versicherungsnehmer das Heft in der Hand zu halten scheint, habe ich die Assekuranz vor den Versicherungsnehmer gesetzt. Mit ihrer Expertise „diktiert“ der Anbieter Versicherungswirtschaft nämlich seinen Annehmern Versicherungsnehmern in ihren Bedingungen die Ausschlüsse sowie die Haftungen und Deckungen. Mit der Formulierung der Obliegenheiten, Ausschlüsse, Einschränkungen, vertraglichen Konsequenzen hat die Assekuranz ein gewichtiges Werkzeug in der Hand. Mit diesem kann sie ihre Annehmer „formen“. Der dritte Akteur dieser Wertschöpfungskette sind die Assistance-Gesellschaften als Vermittler von Versprechen, die nicht sie selbst, sondern ihre Kunden, also die Assekuranz, wiederum ihren Kunden gegeben haben. Die Assekuranz bearbeitet ihre Assistance-Schadenfälle also im Regelfall nicht selbst im Haupthaus. Sie bedient sich hierzu der Assistance-Gesellschaften sozusagen als „Zulieferer“. Weshalb diese Konstellation der Weitergabe in dieser Form entstanden ist, wird mit der Regulierung der Versicherungswirtschaft durch das ehemalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) begründet. Nationalstaatliche Regulierungen, einheitliche Bedingungswerke, Preis- und Tarifregulierungen, das Verbot des Betreibens versicherungsfremder Geschäfte hemmten und verhinderten letztlich ein Aufleben der Assistance innerhalb des jeweiligen Versicherungsunternehmens. Eine Deregulierung und damit eine Liberalisierung erfuhr die Versicherungswirtschaft im Jahre 1994. Mit ihr konnten sich die Versicherungsunternehmen voll entfalten. Sie waren damit in keinerlei strikter Kontrolle gefangen. Es stellte sich für die Versicherungsunternehmen somit die Frage, ob die Assistance-Dienstleistung selbst im Hause betreut oder einer Assistance-Gesellschaft übergeben werden sollte. Auf der einen Seite war zu beobachten, dass die Versicherungsunternehmen das Assistance-Geschäft einer auf den Markt agierenden Assistance-Gesellschaft anvertrauten. Auf der anderen Seite errichteten einige Versicherungsunternehmen ihre hauseigene Notrufzentrale. Diese Inhouse-Assistance wurde früher oder später in den allermeisten Fällen als Tochterunternehmen mit der Rechtsform einer GmbH weitergeführt. Während z.B. die klassische Schaden-Sachbearbeitung tagsüber zu festen Bürozeiten von Versicherungskaufmännern und –Frauen ausgeübt wird, war schon die erste von der Assekuranz angebotene Assistance-Leistung, nämlich der Auto-Schutzbrief, nicht mit dieser starren Arbeitszeit vereinbar. Ausgebildete Angestellte der Versicherungswirtschaft regelmäßig an Feiertagen und Nachts arbeiten zu lassen, würde dem Prinzip der Kosteneffizienz zuwiderlaufen. Ganz abgesehen von in den Köpfen vieler Verantwortlicher verankerten Tradition einer festen Arbeitszeit in der doch eher als konservativ geltenden Versicherungsbranche. Je nach Assistance-Produkt und –Leistung können die Assistance-Gesellschaften entweder ausschließlich Vermittler der Leistung sein. Daneben ist es jedoch auch sehr gut möglich, dass die Assistance-Gesellschaft die Service-Leistung selbst ausführt, z.B. eine Beratung. Für die Ausführung der meisten Service-Leistungen sind indes externe Partner, Dienstleister nötig: Abschleppdienste, Hotels, Mietwagenfirmen etc. (ucy)