Die Abhängigkeit der Assekuranz als Erzeuger von Assistance-Leistungen reicht von den Versicherungsnehmern als Annehmern, über den Vermittlern und Ausführern von Assistance-Produkten.
Der klassische Wirtschaftskreislauf in der
Assistance-Branche kann anhand von vier Hauptakteuren beschrieben werden: Dem
Versicherungsunternehmen als Anbieter der Leistung, dem Versicherungsnehmer als
Annehmer der Leistung, der Assistance-Gesellschaft als Vermittler der Leistung
sowie dem Dienstleister als Ausführer der Leistung. In dieser Reihenfolge
spiegelt sich gleichfalls das praktische Kräfteverhältnis dieser Akteure wider.
Dieses kann jedoch nicht auf allen Ebenen und zu jedem Zeitpunkt als starr
bezeichnet werden. Abhängig von der Situation führt die Stärkeverteilung zu
Bewegungen zwischen den Akteuren untereinander. Damit ist sie Verschiebungen
ausgesetzt, die auch vom Blick des Betrachters abhängen. Motivation der
Assekuranz, ein Assistance-Produkt zu forcieren ist der „Markt“. Was verbirgt
sich konkret dahinter? Die Versicherungsunternehmen verfolgen und analysieren
gespannt die Aktivitäten ihrer Mitbewerber auf der Suche nach neuen Kunden.
Bietet nun ein Versicherungsunternehmen ein neues Assistance-Produkt an, hat es
sich damit gegenüber der Branche und den Kunden einen Vorteil verschafft: Es hat
ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen. Es ist jedoch nur eine Frage der Zeit,
bis Mitbewerber auf dieses Pferd aufspringen und ein ähnliches Produkt mit
anderem Namen anbieten, welches das originäre Assistance-Produkt des „Erfinders“
idealerweise hinsichtlich des Preises und der Leistung übertrifft. Außer diesem
internen Branchenmarkt ist die Assekuranz natürlich auch einem
gesamtgesellschaftlichen „Markt“ ausgesetzt. Der Wunsch der Endkunden verändert
sich. Welche Assistance-Leistungen sind der hiesigen Bevölkerung wichtig? Mit
welchen Produkten kann die Assekuranz einen Mehrwert für ihre
Versicherungsnehmer schaffen und sie so als treue Kunden an sich binden? Diese
zwei Marktpfeiler erheben die Assekuranz im besten Falle als „Wohltäter“, der
sich Sorgen um den zweiten Akteur in diesem Kreislauf macht: Den
Versicherungsnehmer als Endkunden. Er entscheidet am Ende durch seinen
Versicherungseinkauf und das danach erfolgte Verhalten z.B. im Schadenfall über
das Wohl und Wehe eines Assistance-Produktes. Obwohl also der
Versicherungsnehmer das Heft in der Hand zu halten scheint, habe ich die
Assekuranz vor den Versicherungsnehmer gesetzt. Mit ihrer Expertise „diktiert“
der Anbieter Versicherungswirtschaft nämlich seinen Annehmern
Versicherungsnehmern in ihren Bedingungen die Ausschlüsse sowie die Haftungen und
Deckungen. Mit der Formulierung der Obliegenheiten, Ausschlüsse,
Einschränkungen, vertraglichen Konsequenzen hat die Assekuranz ein gewichtiges
Werkzeug in der Hand. Mit diesem kann sie ihre Annehmer „formen“. Der dritte
Akteur dieser Wertschöpfungskette sind die Assistance-Gesellschaften als
Vermittler von Versprechen, die nicht sie selbst, sondern ihre Kunden, also die
Assekuranz, wiederum ihren Kunden gegeben haben. Die Assekuranz bearbeitet ihre
Assistance-Schadenfälle also im Regelfall nicht selbst im Haupthaus. Sie
bedient sich hierzu der Assistance-Gesellschaften sozusagen als „Zulieferer“.
Weshalb diese Konstellation der Weitergabe in dieser Form
entstanden ist, wird mit der Regulierung der Versicherungswirtschaft durch das
ehemalige Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen (BAV) begründet. Nationalstaatliche
Regulierungen, einheitliche Bedingungswerke, Preis- und Tarifregulierungen, das
Verbot des Betreibens versicherungsfremder Geschäfte hemmten und verhinderten
letztlich ein Aufleben der Assistance innerhalb des jeweiligen
Versicherungsunternehmens. Eine Deregulierung und damit eine Liberalisierung
erfuhr die Versicherungswirtschaft im Jahre 1994. Mit ihr konnten sich die
Versicherungsunternehmen voll entfalten. Sie waren damit in keinerlei strikter
Kontrolle gefangen. Es stellte sich für die Versicherungsunternehmen somit die
Frage, ob die Assistance-Dienstleistung selbst im Hause betreut oder einer
Assistance-Gesellschaft übergeben werden sollte. Auf der einen Seite war zu beobachten,
dass die Versicherungsunternehmen das Assistance-Geschäft einer auf den Markt
agierenden Assistance-Gesellschaft anvertrauten. Auf der anderen Seite
errichteten einige Versicherungsunternehmen ihre hauseigene Notrufzentrale.
Diese Inhouse-Assistance wurde früher oder später in den allermeisten Fällen
als Tochterunternehmen mit der Rechtsform einer GmbH weitergeführt. Während
z.B. die klassische Schaden-Sachbearbeitung tagsüber zu festen Bürozeiten von
Versicherungskaufmännern und –Frauen ausgeübt wird, war schon die erste von der
Assekuranz angebotene Assistance-Leistung, nämlich der Auto-Schutzbrief, nicht
mit dieser starren Arbeitszeit vereinbar. Ausgebildete Angestellte der
Versicherungswirtschaft regelmäßig an Feiertagen und Nachts arbeiten zu lassen,
würde dem Prinzip der Kosteneffizienz zuwiderlaufen. Ganz abgesehen von in den
Köpfen vieler Verantwortlicher verankerten Tradition einer festen Arbeitszeit
in der doch eher als konservativ geltenden Versicherungsbranche. Je nach
Assistance-Produkt und –Leistung können die Assistance-Gesellschaften entweder
ausschließlich Vermittler der Leistung sein. Daneben ist es jedoch auch sehr
gut möglich, dass die Assistance-Gesellschaft die Service-Leistung selbst
ausführt, z.B. eine Beratung. Für die Ausführung der meisten Service-Leistungen
sind indes externe Partner, Dienstleister nötig: Abschleppdienste, Hotels,
Mietwagenfirmen etc. (ucy)