Freitag, 29. November 2013

Medizinschäden: Vorschlag für eine Reform der Arzthaftung

Vergeblich hatte die Opposition für einen Fonds für Opfer von Ärztepfusch gekämpft. Die Hamburger Behörde für Gesundheit will sich unter der neuen Regierung weiter für einen Modellversuch einsetzen. Die Versicherungswirtschaft lehnt einen Hilfetopf ab. Er kollidiere mit dem deutschen Haftungsrecht.


Um Opfern von medizinischen Behandlungsfehlern unbürokratischer helfen zu können, hat Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) Ende August die Einführung eines sogenannten Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds vorgeschlagen. Dazu hat sich die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz mit einem Gutachten und einem Entwurf für ein Bundesgesetz durch zwei Rechtswissenschaftler in Stellung gebracht. 

Die Entschädigung von Patienten nach Behandlungsfehlern ist nach Auffassung des Landesministeriums nach wie vor lückenhaft. Diese Lücke habe vielfach harte Folgen für die Betroffenen: Sie müssten nicht nur eventuell schwerwiegende gesundheitliche Folgen von Behandlungsfehlern tragen, sondern oft jahrelang und manchmal vergeblich auf juristischem Wege für eine Entschädigung kämpfen. Oftmals gelinge es nicht mit ausreichender Sicherheit nachzuweisen, dass ein Behandlungsfehler ursächlich für einen Gesundheitsschaden sei.

Stiftung als Alternative zur Versicherung?

Um abzuklären, wie ein bundesweiter Patientenentschädigungs- und -härtefallfonds aussehen könnte, wurden zwei Bremer Rechtswissenschaftler mit der Erarbeitung eines Gutachtens und der Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesvorschlags beauftragt. 

Deren Entwurf sieht vor, eine bundesmittelbare Stiftung öffentlichen Rechts zu gründen, die über eine Entschädigungskommission und eine Härtefallkommission den Betroffenen helfen könne. Gegenüber bestehenden Verfahren könne der Fonds schnell und effektiv für eine Entschädigung und gegebenenfalls einen Härtefallausgleich bei Schäden durch medizinische Behandlungen im Krankenhaus sorgen, so Gutachter Prof. Dr. Dieter Hart, einer der Studienautoren.

Dabei sei vorgesehen, dass der Fonds helfe, wenn überwiegend wahrscheinlich Behandlungs- und Organisationsfehler oder unbekannte Komplikationen bei einem Eingriff zu einem erheblichen Schaden geführt hätten. Der Entschädigungsfonds werde nur dann einspringen, wenn dem Betroffenen über herkömmliche haftungsrechtliche Ansprüche nicht geholfen werden könne, weil der Behandlungsfehler oder der Zusammenhang mit dem erheblichen gesundheitlichen Schaden nicht mit der dafür ausreichenden, weit überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden hätte können.


Assekuranz lehnt Fonds ab

Grundsätzlich seien alternative Haftungs- oder Entschädigungsmodelle dem deutschen Haftungsrecht fremd, teilt der Versichererverband GDV mit. Im Falle eines Entschädigungsfonds würden Fragen nach der Finanzierbarkeit aufgeworfen. Überdies könne ein Entschädigungsfonds die Bemühungen zur Schadenprävention im Gesundheitswesen konterkarieren. 

„Wäre jedoch gewährleistet, dass der Entschädigungsfonds nur in den schicksalhaften Fällen eingreift, wenn kein haftungsrechtlicher Anspruch gegeben ist, so entsteht zum Haftungsrecht zumindest kein Wertungswiderspruch“, sagt Stephan Schweda vom GDV. Problematisch erscheint der Versicherungswirtschaft jedoch auch im Rahmen eines solchen Modells (nach Vorbild des Österreichischen Entschädigungsfonds), dass medizinrechtliche Rechtsstreitigkeiten oftmals sehr komplex und die Sachverhalte schwer aufzuklären seien. „Die Klärung der Haftungsansprüche können daher erst am Ende oftmals langwieriger Rechtsstreitigkeiten abschließend beurteilt werden“, gibt GDV-Sprecher Schweda zu bedenken. 

Diese Komplexität bestehe auch in einem summarischen Verfahren, also bei einem vereinfachten schnellen Verfahren ohne exakte Prüfung einer Entschädigungskommission. „Die schnelle und unbürokratische Beurteilung eines Entschädigungsfalls erscheint daher zumindest nicht immer möglich“, lautet denn die Position der Assekuranz. 

Der Fonds soll auf Antrag der Betroffenen aktiv werden. Um Wartezeiten bis zu einer Entscheidung zu vermeiden, ist eine vorgegebene Frist geplant. Bei ihrem Vorschlag haben sich die Professoren an bestehenden Medizinschadenfondsmodellen unter anderem in Österreich und Frankreich orientiert.

Wie Hamburgs Gesundheitssenatorin Prüfer-Storcks mitteilt, habe der noch amtierende Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr den Härtefallfonds mit der Begründung abgelehnt, es gebe kein umsetzbares Konzept. „Diese Ausrede gilt ab heute nicht mehr“, so Prüfer-Storcks. Wie die Politikerin in einem Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt sagte, sei die Umsetzung „sicherlich eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode des Bundes“. (ucy)

Quelle: Dieser Artikel von mir erschien zuerst auf der Seite asscompact.de.