Donnerstag, 21. November 2013

Nebenwirkungen der Krisenpolitik fordern Assekuranz heraus

Das anhaltende Zinstief birgt Risiken vor allem für die Lebensversicherer. Der demografische Wandel beschert der bAV steigende Versorgungsleistungen. Und mit Solvency II werden nun langfristige Risiken aufgedeckt, auf die die Branche sich vorbereiten muss. Der diesjährige Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank seziert die aktuellen Finanzrisiken für Deutschland.


„Des einen Freud, des anderen Leid.“ Mit diesen Worten kommentierte Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, das aktuelle Niedrigzinsumfeld. „Für Häuslebauer und Aktionäre ist es gut. Für Sparer ist es alles andere als schön“, so Dombret bei der Vorstellung des diesjährigen Finanzstabilitätsberichts. Mit der fortdauernden Phase niedriger Zinsen nähmen „unerwünschte Nebenwirkungen und Risiken für die Finanzstabilität“ zu. 

Dr. Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Bundesbank
„Es wird für die deutschen Lebensversicherer angesichts der niedrigen Zinsen immer schwieriger, die Garantieverzinsung zu erwirtschaften“, sagte Dombret, der im Vorstand der Bundesbank für die Finanzstabilität zuständig ist. Die Minizinsen zehrten die Kapitalpuffer der Versicherer auf. Ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld, so das Fazit des Managers, berge somit ohne jede Frage ein Gefährdungspotenzial für die Stabilität von deutschen Lebensversicherern.

Zunehmender Wettbewerb um Geld der Anleger

Doch insgesamt stuft die Bundesbank die Risiken für die Finanzstabilität in Deutschland als gering ein, die sich aus der Suche nach Rendite ergeben. Zwar hat die Assekuranz ihre Bestände an Unternehmensanleihen spürbar erhöht. „Dahinter steht jedoch nicht nur eine Suche nach Rendite zur Verbesserung der Erträge, sondern wohl auch der Wunsch, Kapitalanlagen zu diversifizieren und dabei insbesondere die Verflechtung mit dem Bankensystem abzubauen“, heißt es im Bericht. 

„Zudem sehen sich Banken einem zunehmenden Wettbewerb auch von Nichtbanken gegenüber“ ergänzte Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank. „Diese bieten nicht nur Finanzierungen an, sondern werben auch erfolgreich um Anlagegelder“, so Lautenschläger.
Sabine Lautenschläger, Bundesbank-Vizepräsidentin 

Gleichwohl müssten die Versicherer beachten, dass Unternehmensanleihen am Markt bereits recht hoch bewertet würden. Die Verflechtung der Assekuranz mit dem Bankensystem zeigt die Bundesbank exemplarisch an wenigen Daten. So haben Mitte 2013 die größten deutschen Versicherungsunternehmen 36% ihrer gesamten Kapitalanlagen bei Banken investiert. Fast ein Drittel dieser Anlagen bei Banken erfolgte unbesichert, zum Beispiel in Genusscheinen, Aktien oder nachrangigen Anleihen. 

Bemerkenswert ist ebenfalls die gegenläufige Entwicklung der Banken und Versicherer bei den Forderungen der Euro-Länder Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien und Zypern. Entgegen der Entwicklung bei den Banken sind hier nämlich die Anlagen deutscher Versicherungskonzerne zuletzt leicht angestiegen.

Somit bestünden für das deutsche Finanzsystem für den Fall einer Intensivierung der Schuldenkrise weiterhin hohe Ausfall- und Ansteckungsrisiken, ist in der Expertise zu lesen. Umso mehr gelte es, die Reformen zur Verringerung dieser Risiken auf nationaler und europäischer Ebene zügig voranzutreiben. Wie es im Finanzstabilitätsbericht heißt, sind vor allem Lebensversicherer aufgrund ihrer Verpflichtungen aus lang laufenden Garantien einem anhaltenden Druck ausgesetzt, höhere Risiken zu übernehmen.


Das Finanzierungsrisiko in der bAV

Der Report der deutschen Zentralbank widmet sich ebenfalls der betrieblichen Altersversorgung. Diese sehen die Währungshüter mittel- bis langfristig vor allem durch den demografischen Wandel herausgefordert. 

Die Alterung der Gesellschaft werde in Zukunft auf der einen Seite zu steigenden Versorgungsleistungen führen. Gleichzeitig werde die arbeitsfähige Bevölkerung aber schrumpfen. Die Schlussfolgerung der Experten: „Das führt vor allem bei Unternehmen mit hohen ungedeckten Direktzusagen zu einem Finanzierungsrisiko.“

Die Bundesbank fordert deshalb die Unternehmen bzw. ihre Pensionskassen, Pensionsfonds und Unterstützungskassen auf, Risiken für sich und ihre externen Versorgungsträger aus dem demografischen Wandel und dem Niedrigzinsumfeld zu identifizieren und frühzeitig Vorsorge zu treffen. Denn die Minizinsen erschwerten es diesen Marktteilnehmern, mit dem angelegten Deckungsvermögen die zugesagten Versorgungsleistungen zu erwirtschaften.

Solvency II deckt langfristige Risiken auf

In drei Szenarioanalysen haben die Ökonomen der Bundesbank die Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes untersucht. Dabei wurden Daten von 85 Lebensversicherern zugrunde gelegt. Im Ergebnis zeigt das Modell, dass die Eigenmittelanforderungen nach Solvency I vielfach nicht erfüllt werden können. So könnten im verschärften Stresszenarien bis zum Jahr 2023 32 Unternehmen die Eigenmittelanforderungen nicht mehr erfüllen – mehr als ein Drittel der betrachteten Lebensversicherer.

„Nun muss man noch beachten, dass unserer Simulation die Anforderungen von Solvency I zugrunde gelegt sind“, sagte Dombret und bemerkte, dass die „Marktwertbilanzierung, die Solvency II bringt, wohl zu noch schlechteren Ergebnissen führen“ würde. Mit Solvency II, dem neuen Eigenkapital-Regelwerk für die europäische Versicherungsaufsicht, würden Risiken aus langfristigen Verbindlichkeiten offengelegt. 

Denn die Vermögenspositionen und Verpflichtungen seien mit der künftigen Regulierung marktkonsistent, risikoadäquat und transparent zu bewerten. Dombret: „Es ist somit wichtig, den Übergang zu Solvency II stabilitätskonform zu gestalten.“ (ucy)
Bilder und Präsentation: Deutsche Bundesbank 

Quelle: Dieser Artikel von mir erschien zuerst auf der Seite asscompact.de