Mittwoch, 19. März 2014

Deutschland, Land der Aktienmuffel

Selbst Verbraucherschützer predigen den Anlegern, nicht auf Renditechancen von Aktien zu verzichten. Denn als Ergänzung für den Vermögensaufbau können die Anleger von Kursgewinnen und Dividenden profitieren – besonders in der jetzigen Zeit der Mini-Zinsen. Doch die Deutschen zeigen der Aktie die kalte Schulter. Die Branche warnt deshalb vor den langfristigen Folgen für die Vermögensentwicklung. 


Trotz zunehmender Renditechancen meiden Anleger eine Investition in Aktien. Auch wenn man den Menschen die entgangenen Gewinne und das auf lange Sicht doch sehr geringe Risiko einer Aktienanlage aufzeige, würde aus den Deutschen kurzfristig kein Volk der Aktionäre zu machen sein, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment

Das Marktforschungsinstitut Forsa ermittelt seit 2001 im Auftrag von Union Investment quartalsweise das Anlegerverhalten. Befragt werden 500 Finanzentscheider in privaten Haushalten im Alter von 20 bis 59 Jahren, die mindestens eine Geldanlage besitzen. 

Zwar ist in der aktuellen Erhebung die Attraktivität von Aktien im Vergleich zum ersten Quartal 2013 um vier Prozentpunkte auf 28 Prozent gestiegen. Dennoch scheuten die Deutschen die Direktanlage in Aktien. 

Große Teile der Bevölkerung verzichten auf Aktien

Lediglich 17 Prozent der Befragten besitzen der Umfrage zufolge Aktien. Das sind zwei Prozentpunkte weniger als im Vorquartal und damit der niedrigste Wert seit vier Jahren (16 Prozent). Gay hält es für erfolgversprechender, die Deutschen langsam an höher rentierliche Anlageformen heranzuführen, beispielsweise über Aktienfondssparpläne. 

Großen Teilen der jungen Generation sei offenbar nicht bewusst, wie wichtig die private Altersvorsorge sei. Das Ergebnis des aktuellen Anlegerbarometers zeige, dass vor allem junge Menschen bei der Geldanlage extrem zurückhaltend seien. Dabei hätten gerade sie die Zeit, Aktienschwankungen aussitzen zu können. Auf lange Sicht wiesen Aktien das beste Chance-Risiko-Verhältnis auf. Durch den fehlenden Mut zur Aktie verzichte diese Altersgruppe auf langfristig attraktive Erträge über der Inflationsrate und nehme damit geringere Sparerfolge in Kauf, bedauert Branchenvertreter Gay.

„Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, wenn große Teile der Bevölkerung vollständig auf ein Aktieninvestment verzichten“, kommentiert auch Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts, den Rückschlag für die Aktienkultur. Rund 600.000 Menschen weniger waren 2013 in Aktien oder Aktienfonds engagiert als noch 2012. 

Das zeigen die jüngsten Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts. Gerade einmal 8,9 Millionen Deutsche besaßen demnach Aktien oder Aktienfonds. Das sind nur noch 13,8 Prozent der Bevölkerung nach zuvor 14,7 Prozent. Ohne Aktien verzichteten Anleger auf eine langfristig stabile Rendite über der Inflationsrate und damit auf die Chance höhere Sparerfolge zu erzielen, so Bortenlänger.

„Kleiner Lichtblick in der unerfreulichen Entwicklung“

Nach den Aktionärszahlen des Deutschen Aktieninstituts haben seit 2001 rund 3,9 Millionen Anleger Aktien oder Aktienfonds den Rücken gekehrt. Das ist fast jeder dritte Anleger. Auch zeigt sich, dass über den betrachteten Zeitablauf die Fondsanlage von der Abwanderung der Anleger besonders stark betroffen ist. Die Zahl der Aktionäre hat dagegen zumindest seit 2008 wieder um gut eine Million zugelegt. Dieser Trend hat sich zwar 2013 nicht fortgesetzt, aber immerhin stabilisiert. „Diese Zunahme der Aktionäre ist bei der insgesamt unerfreulichen Entwicklung als kleiner Lichtblick zu werten“, sagt Bortenlänger.

In der Langfristanalyse wird noch ein weiteres Problem deutlich. Nämlich, dass vor allem die Generation im Alter von unter 40 Jahren deutlich weniger Interesse an der Aktie hat. Waren 2001 noch fast 28 Prozent der 30-bis-39-Jährigen in Aktien oder Aktienfonds investiert, sind es heute weniger als 15 Prozent. 

Bei den 20-bis-29-Jährigen liegen die entsprechenden Werte bei 17,5 Prozent in 2001 und 8,7 Prozent in 2013. „Diese Entwicklung ist dramatisch“, warnt Bortenlänger. „Sie bedeutet, dass die junge Generation möglicherweise in großem Stil falsch spart und damit auf eine Sicherung des Lebensstandards im Alter verzichtet. Das können und dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen.“

Für Bortenlänger ist der langfristige Rückgang bei der Zahl der Aktionäre Folge eine Mischung aus schlechten persönlichen Erfahrungen und falschen Rahmenbedingungen. Um gegenzusteuern sei auch die Politik gefragt. „Angefangen bei den steuerlichen Rahmenbedingungen, über immer höhere Hürden der Aktienberatung bis hin zu Defiziten in der ökonomischen Allgemeinbildung: Alles muss auf den Prüfstand, um die Menschen wieder stärker für die Aktie zu begeistern“, fordert Bortenlänger. (ucy)

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