Mittwoch, 23. Oktober 2013

Die Branche wird weiblicher

Die Diskussion um eine gesetzliche Frauenquote hat Unternehmen sensibilisiert, ihre weiblichen Führungskräfte zu fördern. IWF-Chefin Lagarde vertritt die These, dass Frauen heilsam für das Finanzsystem wären. Die eigentliche Herausforderung sehen Experten im Aufbrechen alter Rollenmuster.


Im Streit um die Frauenquote ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU machen Sozialdemokratinnen eine schwarz-rote Regierung von der Einführung einer gesetzlichen Frauenquote abhängig. 

In vielen Unternehmen scheint indes die Botschaft, Frauenkarrieren aktiv zu fördern, auch ohne gesetzlichen Zwang angekommen zu sein. Mixed Leadership, Gender Diversity oder Female Recruiting – diese beispielhaften Schlagworte umschreiben das Bemühen der Wirtschaft, mit mehr Frauen an der Spitze ihren unternehmerischen Erfolg zu stärken.

„Bemühen Sie sich um einen Topjob“  

Nach Ansicht von Marisa Drew, der ranghöchsten Investmentbankerin der Credit Suisse in Europa, dauere es etwa zehn Jahre, bis der Nachwuchs auf die oberen Ränge komme. „Und es ist wahrscheinlich etwa vier oder fünf Jahre her, dass in Europa das Verhältnis von männlichen und weiblichen Einsteigern deutlich ausgeglichener wurde“, sagte sie in einem Interview Anfang Oktober auf der Seite cash.ch

Dass mehr Frauen sogar eine heilsame Wirkung auf das Finanzsystem hätten, findet die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Auf die Frage einer österreichischen Studentin, was junge Menschen tun könnten, um das Finanzsystem zu stabilisieren, habe Lagarde auf einem Symposium mit ihrer Antwort Beifall vom Männer dominierten Publikum erhalten.

An die junge Studentin gewandt sagte Lagarde nämlich, dass sie sich um einen Topjob in der Finanzbranche bemühen solle. Das Finanzsystem wäre besser, wenn mehr Frauen in die Entscheidungen eingebunden seien, so Lagardes Antwort. Ob sich diese These bewahrheiten wird, kann in den nächsten Jahren an Janet Yellen verfolgt werden. 

Sie wird als erste Frau an der Spitze von Amerikas Zentralbank Fed stehen. Mit dem Vorsitz, den aktuell noch Ben Bernanke bekleidet, übernimmt Yellen eine der weltweit einflussreichsten Positionen. Schon wird die Frage in den Raum geworfen, ob sich unter der obersten Währungshüterin ein neuer Kurs weg von der extrem lockeren Geldpolitik durchsetzt.

Verkrustete Strukturen und Denkweisen aufbrechen  

Entgegen weit verbreiteten Annahmen wollten sich Frauen in einer Karriere ebenso verwirklichen wie Männer. „Aber das Karrierewollen von Frauen bleibt oft verborgen, weil die Karrierewelt keine adäquaten Bedingungen für sie bereitstellt“, so Anja Bultemeier, Wissenschaftlerin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg

Durch zunehmenden Druck aus Politik und Öffentlichkeit sei die Ausgangslage für Frauen in den Unternehmen jedoch gegenwärtig in Veränderung begriffen: Verkrustete Strukturen und Denkweisen brächten auf, was zu einer neuen Mobilisierung führe und das Karriereverhalten der Frauen verändere.

Auch der Branchenbeirat „Frauen in Führung“ des Arbeitgeberverbandes der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) sieht im Kulturwandel das zentrale Thema. Auf der konstituierenden Sitzung Anfang Juli dieses Jahres waren sich die Mitglieder darin einig, dass die in Deutschland organisierte Kinderbetreuung nicht das zentrale Thema bei der Lösung dieser komplexen Frage sei. Vielmehr komme es darauf an, die Unternehmenskultur zu hinterfragen – insbesondere eingefahrene Verhaltensweisen und Rollenmuster aufzudecken. 

Keine Erfolge über Nacht  

Im Ergebnis sei das Kulturthema ein klassischer Change-Prozess, so Dr. Christian Hinsch, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Talanx AG. Man dürfe aber keine Erfolge über Nacht erwarten. Ein gutes Gender-Diversity-Management stelle die „Hardware“ bei diesem Thema dar, so Dr. Marita Kraemer, Vorstandsmitglied bei der Zurich.

Mehrfach wurde geäußert, so der AGV in einer Mitteilung, dass es wichtig sei, Frauen für Führungspositionen zu begeistern, sie insbesondere zu animieren, mehr Selbstbewusstsein für die Übernahme einer Führungsaufgabe zu entwickeln. 

Als großes Hemmnis, mehr Frauen für das Management zu gewinnen, sehen viele Unternehmen laut einer vom AGV durchgeführten Erhebung auch eine geringere Führungsmotivation von Frauen. Die Attraktivität von Führung sei geschlechterunabhängig generell zur Herausforderung geworden, äußerte Dr. Susanne Pauser, Leiterin Konzern Personal bei der W&W. Dies betreffe vor allem die unteren Führungsebenen. (ucy)