Donnerstag, 24. Oktober 2013

Sehr hohe Dunkelziffer bei Cybercrime

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat erstmals das Dunkelfeld der Internetkriminalität repräsentativ untersucht. Die Studie offenbart die extrem hohe Zahl nicht angezeigter Online-Straftaten. Im Vergleich mit anderen Delikten weist die Netzkriminalität das größte Dunkelfeld auf.


Offizielle Zahlen zur Internetkriminalität werden bundesweit in der sogenannten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erfasst. In diesem Datenwerk finden jedoch nur solche Straftaten Eingang, die durch Anzeigen von Betroffenen oder Ermittlungen der Polizei bekannt werden. Das ist das sogenannte „Hellfeld“ der Kriminalität. Das Dunkelfeld dagegen bleibt naturgemäß weitgehend unbekannt. 


Um dennoch eine Vorstellung vom Ausmaß und die Entwicklung der nicht angezeigten Straftaten zu bekommen, hat das Landeskriminalamt Niedersachsen im Frühjahr dieses Jahres eine Befragung zum Dunkelfeld der Kriminalität durchgeführt. Erste Ergebnisse dieser Untersuchung hat nun der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius vorgestellt.

Für die Dunkelfeldstudie wurden 40.000 Personen ab 16 Jahre, die in Niedersachsen ihren Hauptwohnsitz haben, angeschrieben. Sie wurden gebeten, Fragen zu ihren Erfahrungen mit Kriminalität im Jahr 2012 zu beantworten. Außerdem wurde nach ihrer Furcht, Opfer zu werden, ihrem Verhalten zum Schutz vor Straftaten, ihrer Wahrnehmung der Polizei und einigen personenbezogenen Daten wie Alter und Geschlecht gefragt. Der Fragebogen bestand aus insgesamt 20 Seiten mit 50 Fragen, so Uwe Kolmey, Präsident des niedersächsischen Landeskriminalamtes.

Höchstes Dunkelfeld bei Cybercrime


Der Studie zufolge beträgt der Betrug mittels Internet etwa das Vierfache der bekannten Fälle. Das Dunkelfeld bei Phishing betrage das Zehnfache und bei Datenverlusten und finanziellen Einbußen durch Viren und Trojaner sogar mehr als das Zwanzigfache des der Polizei bekannt gewordenen Fallvolumens. Von allen erfragten Deliktsbereichen der Dunkelfeldstudie weist dem Bericht zufolge der Bereich Cybercrime das größte Dunkelfeld auf. Das Internet sei für sehr viele Menschen inzwischen eine Art zweites Zuhause geworden, mit sozialen Kontakten und natürlich einem riesigen Marktplatz, so Innenminister Pistorius.

Die Ergebnisse der Dunkelfeldstudie belegten, dass alle sehr genau darauf achten müssten, wie persönlichen Daten im Netz zu schützen seien. „Natürlich heißt das auch, dass die Bekämpfung der Cybercrime weiter intensiviert werden muss“, so der Politiker. Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums hätten von den 40.000 angeschriebenen Personen 18.940 an der Befragung teilgenommen. Das entspricht einer Rücklaufquote von 47 Prozent. Damit lägen in Niedersachsen für das Jahr 2012 erstmals in der Bundesrepublik Deutschland verlässliche Dunkelfelddaten auf der Basis einer umfassenden, repräsentativen Bevölkerungsbefragung vor.

Die Auswertung der Befragung sei zwar inzwischen weitgehend abgeschlossen. Weitere Ergebnisse will Innenminister Pistorius aber im „Gesamtzusammenhang“ vorstellen. Die hohe Teilnahmequote erlaube dabei Aussagen, die unter den Aspekten Alter und Geschlecht repräsentativ für ganz Niedersachsen und das Gebiet jeder Polizeidirektion seien. Als in seiner „Funktionalität in Deutschland einmalig“ stellte Pistourius gleichzeitig die Seite „Ratgeber Internetkriminalität“ vor.

Unternehmen vor Sabotage sensibilisieren 


Außerdem betonte Pistorius, dass außer den Menschen vor allem Unternehmen und auch Verwaltungen ihre Inhalte in besonderer Weise vor Spionage oder Sabotage schützen müssten. Mit Blick auf den Wirtschaftsstandort gelte das Sicherheitsinteresse gleichzeitig den bedeutsamen Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) und der öffentlichen Verwaltung. Ein Ziel der Kampagne sei auch, insbesondere diese bezüglich der hohen Anforderungen an ihre IT-Sicherheit zu sensibilisieren.

Der Landesverband Niedersachsen des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sieht in der Dunkelfeldstudie einen „mutigen Schritt in die richtige Richtung“. Schon seit Jahren fordert der BDK eine Abkehr von der PKS als alleiniges Instrumentarium zur Erklärung "polizeilicher Erfolge". Die PKS spiegele kaum die Realität des Kriminalitätsgeschehens wieder, sei zum Teil unlogisch und widersprüchlich und erzeuge immer wieder "Begehrlichkeiten für Manipulation und Verzerrung" der tatsächlichen Kriminalitätsentwicklung.

Es wäre, so die Forderung des BDK, politisch sehr mutig, neben der Dunkelfeldforschung auch dazu überzugehen, eine Opferstatistik einzuführen. Damit wäre dann zwar das künftige Kriminalitätslagebild voraussichtlich in einigen Deliktsbereichen vollkommen ernüchternd und alarmierend. Es bestünde dann nach Ansicht des BDK aber die Möglichkeit, wirklich an die gegenwärtigen und zukünftigen Kriminalitätsphänomene versiert heranzugehen und geschlossene Bekämpfungsstrategien anzudenken. (ucy)